Ich war ja früh vom Virus der Astronomie infiziert. Und so kaufte ich mir im Alter von 14 Jahren einen japanischen Refraktor, den man damals bei der Firma Quelle bestellen konnte. Ich ging in den großen Schulferien 6 Wochen lang arbeiten, und zwar in der Landvermessung des Kulturamtes Adenau (Diese Tätigkeit draußen in schöner Natur habe ich, unterbrochen von der Zeit bei der Bundeswehr, bis gegen das Ende meines Studiums beibehalten; zuletzt war ich jedes Jahr in der Flurbereinigung der Ahrberge beschäftigt. Kenne dort jeden Quadratmeter und war sogar heimlich in den Regierungsbunker vorgedrungen - wurde dann aber erwischt und schnell 'abgeführt'). Nach 6 Wochen Arbeit hatte ich die 300 DM für das Teleskop zusammen. Mein Vater war entsetzt, wie ich das teuer verdiente Geld für so einen Humbug ausgeben konnte! Ich werde nie den Augenblick vergessen, als ich zum ersten Mal den Saturn im Okular hatte und langsam fokussierte. Da stand ich nachts alleine im Garten und habe Gott weiß welche Laute von mir gegeben! Ein ähnliches Erlebnis hatte ich auch wieder vor 5 Jahren, als ich erstmals M51 im 'Dicken Pitter' (das ist mein 30-mm-Weitwinkelokular) meines Maksutov-Newton-Teleskops sah: ich konnte die Spiralstruktur erkennen - das hatte ich vorher nicht für möglich gehalten!
Zurück zur Jugendzeit. Als 2015 meine Gartensternwarte eingeweiht wurde, bereitete ich auch eine kleine Ausstellung vor, in welcher 'Beobachtungsberichte' von damals zu sehen waren. Wir trafen uns schon im Alter von 14 oder 15 Jahren immer mit 3 bis 4 Burschen in Adenau, um zu beobachten oder über astronomische Themen zu diskutieren. Einer kam sogar regelmäßig von Ahrweiler mit dem Zug angereist. Zudem pflegten wir Briefkontakt zu einem Amateurastronomen etwa gleichen Alters aus Hiltrup. Und zu allen (außer zum Hiltruper) besteht noch oder wieder Kontakt. Wir trugen also zur Einweihung diese Berichte zusammen, die wir immer austauschten und für die auch ein bestimmtes 'Layout' festgelegt wurde. Und alles mußte auf der Schreibmaschine getippt werden! Man beachte die Ernsthaftigkeit, mit welcher die Dokumente erstellt wurden. Früh übt sich, wer ... Ich benutzte damals eine riesige Adler, eine Vorkriegsschreibmaschine, die mein Vater eines Tages nach Hause brachte, weil sie beim RWE, wo er als Buchhalter arbeitete, ausgemustert worden war. Ein Prachtstück (er hat sie leider in den 80ern ohne mein Wissen verscherbelt - eine seiner großen Sünden!), sie hatte zwei Wagen, also auch den großen, in den man auf DIN-A3-Format schreiben konnte. Und sie hatte jeden erdenklichen Schnickschnack - für Buchhaltung eben. Ich habe sämtliche größeren Hausarbeiten für die Schule und später auch noch Dokumente für mein Studium darauf erstellt (klar: sie hatte auch schwarzes und rotes Farbband).
Anbei nun einige Dokumente aus jener Zeit, die nichts anderes als die Begeisterung widerspiegeln; denn alles Beobachten und auch Fotografieren war doch im Vergleich zu heute mühsam. Meine Zeiss Icarex 35 (für meine Astrofotos extra mit Lichtschacht und Fresnellinse! Habe ich immer noch.), für die ich zwei Sommer lang arbeiten gehen mußte, montierte ich hinterm Sucher (welche Verschwendung dieser tollen Kamera), weil ich mit dem großen Rohr nachführen mußte - von Hand., versteht sich. Ich ging damals zu einem Uhrmacher in Adenau, der selbst ein sehr guter Hobbyfotograf war und sich gerne mit mir über die Tücken der Astrofotografie unterhielt. Ich fragte ihn, ob er ein ausgedientes Getriebe einer Küchenuhr habe. Hatte er. Und ich baute mir daraus eine Nachführung, die von einem Gleichstrommotor angetrieben wurde (Elektrik und Elektronik faszinierten mich schon von früher Jugend an. Vielleicht bin ich deshalb auch Radioastronom geworden ...). Die Drehzahl, schnellen Vor- und Rücklauf steuerte ich über eine simple Elektronik mit Potentiometer. Das war ein langer niederohmiger Widerstand, über den ich ein drehbares Kupferblättchen gleiten ließ, nachdem ich vorsichtig den Isolationslack abgekratzt hatte. Damit konnte ich sehr fein die Drehzahl regulieren. Natürlich war die Chose doch stark temperaturabhängig, immerhin ging die Temperatur in den damaligen Wintern schnell mal bis -20° C runter! Dann verwandelte ich noch eines meiner Okulare in ein Fadenkreuzokular, indem ich feine Kupferdrähte, die ich aus Kupferdrahtlitzen herausgefriemelt hatte, mit etwas 'Uhu plus' (immer noch das Non-Plus-Ultra; keine Werbung!) überkreuz fixierte. Den jeweiligen Leitstern stellte ich dann unscharf ein, da ich ja kein beleuchetes Fadenkreuz hatte. Und so konnte ich den Ilford Pan F in meiner Icarex 35 schon mal 30 Minuten belichten (ja, diesen panchromatischen, sehr feinkörnigen, daher sehr unempfindlichen Ilford Pan F 50/18°; da mußte man lange belichten). Mann, was habe ich damals manchmal gefroren, wenn ich, das Auge immer am Okular, bei Minustemperaturen am Fernrohr stand. Und wie machte ich Mond- und Planetenaufnahmen? Nun, der Verschluß meiner Kamera war im Wortsinn ein Hammer. Was heute lächerlich künstlich als (abstellbares) Geräusch der modernen Digitalkameras generiert wird, war bei meiner Icarex 35 damals ein unüberhörbares 'flip-flap', begleitet von einer unvermeidlichen Erschütterung der Kamera (Impulserhaltung!). Wie soll man damit scharfe Aufnahmen hinkriegen? Also baute ich mir aus schwarzer Pappe eine Kappe, die ich vorne über das Objekt des Refraktors hängen konnte. Dann den Kameraverschluß auf 'B', die Kappe nach vorne wegholen, bis das Fernrohr sicherlich nicht mehr schwang, dann die Kappe nach der Seite weg, 3 bis 5 Sekunden warten (beim Mond nur ganz kurz), und dann die Kappe wieder vorsichtig zurück und den Kameraverschluß zu. Funktionierte prima!
Wie angenehm war es da, tagsüber die Sonne mit Projektionschirm zu beoabachten. Auf diesem hatte ich später dann Vorlagen fixiert, auf denen ich direkt zeichnen konnte! Sie stammten wohl aus einem Astronomiebuch (ich weiß aber nicht mehr aus welchem), hatten ein Koordinatengitter für die Sonne für verschiedene Zeiten, und ich fertigte etliche Kopien davon an. Einige besitze ich immer noch. Tja, und dann hatte ich mal eine teure Lehrstunde, ich Jungphysiker... Es geschah beim Merkurtransit am 9. Mai 1970. Ich war schlau, kannte vom Physikunterricht die Eigenschaften eines Polarisaionsfilters. Ich beschaffte mir zwei davon, sodaß ich damit die Helligkeit eines Objekts am Okular regeln konnte. Und jetzt kommt's. Für den Merkurtransit baute ich die beiden Polfilter ins Projektionsokular, Kamera dahinter, schnell fokussiert, und dann eine Aufnahme nach der anderen. Prima! Merkurtransit x-mal auf dem Film. Diesen brachte ich zu meinem Fotogeschäft (ich hatte keine Möglichkeit, Filme selbst zu entwickeln, außer bei einem meiner Astrokumpels). Am Montag drauf ging ich voller Erwartung wieder hin und wollte denen natürlich den Merkur vor der Sonne zeigen. Der Fotohändler empfing mich mit düsterer Miene. "Was hast du denn da gemacht?" Alle Negative waren pechschwarz! Und der Kameraverschluß war durchgebrannt! Eine sehr teure Reparatur bei der Firma Zeiss stand an. Die Ferienarbeit war in jenem Sommer dann eine Art 'Strafarbeit', um die Kamera wieder hinzukriegen. Was war passiert? Ganz einfach: Sonnenfilter in der Nähe der Fokalebene werden heiß, und Polfilter, die aus organischem Material bestehen, schmelzen dann und verlieren ihre Eigenschaften. Dann hat das Sonnenlicht wieder 'freie Bahn' und heizt unerbittlich das auf, was dahinter liegt. Natürlich konnte der Kameraverschluß, ganz nahe an der Fokalebene, nicht lange durchhalten. Nicht ein Foto war gelungen. Nebenstehend aber noch ein paar Sonnenfotos, die ich mit einem echten Sonnenfilter gemacht hatte. Auch dieses gab irgendwann den Geist auf - es war gesprungen. So lernt man!
vielen lieben Dank f. Deine geteilten Memoiren! Einfach grossartig, ich lese solche Geschichten wahnsinnig gerne. Es gibt uns jungspunden ein Gefühl f. Geschichte, den Lauf d. Zeit und den Wandel der Dinge mit diesem! ...Und wirft auch immer die Fragen auf: wo sind wir in zwanzig Jahren? Was werde ich den mir folgenden eines Tages von heute erzählen?
Jedenfalls bleibt es immer spannend... soviel ist sicher...